Geposted von OceanAir,
Vor der Saison in der ESL Meisterschaft hatten die wenigsten Leute das Team Attempting to Reconnect auf dem Zettel. Als Aufsteiger brachte man zwar einige bekannte Namen mit sich, doch was die Spieler und das Trainerteam schlussendlich daraus gemacht haben, erlebt man auch im eSports eher selten. Wie die Geschichte von ATR ablief, erfahrt ihr hier.

„Liandrid was the Problem“ - oder war er die Lösung?

Noch bevor sich Attempting to Reconnect am Horizont der deutschen LoL-Szene aufgetan hat, begann die erweiterte Geschichte des Teams im Spring Split der ESL Meisterschaft. Bei AeQ lief es während der Saison etwas zu holprig für die Ansprüche des Teams und auch innerhalb der Mannschaft war die Stimmung gemischt.

Während des laufenden Splits wollten Liandrid und weitere Spieler dem Team den Rücken kehren, doch dann kam alles anders. Letztendlich verließ nur Liandrid das Team aufgrund einer Vielzahl an Missverständnissen zwischen ihm und dem ehemaligen Manager des Teams. Liandrid selber war zu unzufrieden mit der Situation, als dass er weiterspielen wollen würde und so wurde er ersetzt.

Als die Community und Freunde von ihm den Wechsel bei seinem Team realisierten, entwickelte sich ganz gewöhnlich auch dafür ein Twitch-Chat-Meme – “Liandrid was the Problem”. Denn trotz des Wechsels auf der Top-Lane lief es bei AeQ während der Cup-Phase nicht besser. Der Spielerwechsel hatte zunächst nichts gebracht und bevor sich AeQ steigern konnte, war der Spruch schon lange ein Bestandteil der Spiele des Teams. Mit diesem ersten Fundament begann die Reise des Teams bis hin zur Gamescom.

Der Kopf hinter dem Team – Mantik

Mantik (ganz links) nach dem Sieg der ESL Meisterschaft im Frühling 2016 mit seinem alten Team

Das Team, so wie es damals als auch heute existiert, wurde vom Manager und Coach Mantik umgesetzt, welcher bereits das ehemalige EURONICS Gaming betreute und zu Erfolg in der ESLM führte. Mantik kontaktierte nach der Trennung von Liandrid und AeQ den Top-Laner, um sich ein Team mit eben diesem aufzubauen. Angetan von dieser Idee war Liandrid eine der ersten Personen, die im Line-Up standen. Mantik sprach mit vielen Spielern und schaute sich in der Szene um. Dank seiner langen Arbeit bei ESG kannten ihn viele Spieler und wussten, dass unter Mantiks Leitung der Erfolg quasi vorprogrammiert ist.

So konnte Mantik neben Liandrid auch schnell Xioh für sein Vorhaben gewinnen, denn der EPS-Veteran wollte wieder aktiv als Spieler antreten. Nach Tryouts mit Xioh als Mid-Laner entschloss sich das Team, ebenfalls Zazee zu testen und Xioh als Supporter zu probieren, was sich als ein wahrer Glückstreffer herausstellen sollte. Die Kombination gefiel dem Team und so baute sich bereits früh der Kern des Teams auf, welcher bis heute bestehen blieb.

Für die Open Qualifier holte Mantik seinen alten Schützling Föur zurück, der bereits bei ESG mit ihm zusammengearbeitet hatte. Allerdings war die Absprache zwischen Spieler und Team klar, denn Föur wollte nur die Qualifikationsrunden für das Team bestreiten und danach ein besseres Angebot aus einer anderen Liga annehmen.

Da die Zeit drängte und man bereits ein relativ starkes Grundgerüst hatte, einigte man sich mit Föur und konnte den jungen Challenger-Spieler Michael Scofield ebenfalls ins Boot holen. Mit diesem Line-Up unter der Leitung von Mantik gelang “Liandrid was the Problem” ein mehr oder weniger makelloser Einzug in die Liga der ESL Meisterschaft.

Umstrukturierungen auf allen Ebenen

Nachdem “Liandrid was the Problem” souverän den Einzug in die ESL Meisterschaft gepackt hatte, stand das Team vor ganz neuen Herausforderungen – allerdings dieses Mal außerhalb der Kluft. Neben dem neuen Jungler Föur entschloss sich das Team, ebenfalls den ADC Michael Scofield auszutauschen, da Kommunikation und Einsatz nicht den Erwartungen des Teams entsprachen.

Der Markt an Spielern war aber auch zum großen Teil leergefischt, denn andere Teams konnten sich frühzeitig um Spieler und Vertragsabsprachen kümmern. So blieb am Ende vermeintlich nur noch der letzte Rest. Die vermeintlichen Notlösungen entpuppten sich aber schnell als richtiger Schachzug seitens Mantik und dem Team, denn mit Maxilol und Jesklaa fand man noch junge und ambitionierte Spieler, die ein extrem starkes Niveau mitbrachten und viel von Veteranen wie Xioh lernen konnten.

Während Maxilol für Mantik kein ganz unbekanntes Gesicht war und er den Dänen auch schon etwas länger unter Beobachtung gestellt hatte, fand er Jesklaa erst über Umwege. Der Schwede war zwar bereits mit seinen jungen 16 Jahren Challenger, doch seinen „Durchbruch“ hatte er erst während den Copenhagen Scouting Grounds (ein Event für skandinavische Talente, die sich über mehrere Tage in öffentlichen Scrims beweisen wollen).

Hier trägt das Team noch Jesklaa, während er es in den Spielen übernehmen sollte

Über dieses Event machte der ADC auf sich aufmerksam und konnte Mantik überzeugen. In Zusammenarbeit mit dem Organisator des Events und ehemaligem Trainer bei ESG (Vorborg) sicherte sich Mantik die Dienste von Jesklaa. Während der kurzen Tryout-Phase zwischen Qualifikation und Ligabeginn bewiesen Maxilol sowie Jesklaa, dass Mantik erneut ein gutes Händchen gezeigt hat. Somit stand der Kader fest.

Neben den Spielerwechseln gab es aber auch ein anderes großes Thema: Welche Organisation kann und will das Team unterstützen? Angebote gab es durchaus, doch damit die Spieler auch etwas davon haben, reicht eine Gaming-Maus eben nicht aus. Gelder und Sponsoren mussten ran und das schnell, denn “Liandrid was the Problem” hatte keinen Hauptsponsor, bis man sich um kurz vor zwölf dazu entschied, die Organisation Attempting to Reconnect von Manager Mantik zu benutzen.

Selbst für Langzeit-Zuschauer war dies ein Name, den man noch nicht so ganz einordnen und erkennen konnte, doch man wollte sich nicht an etwas anderes binden, solange die Voraussetzungen nicht genau passen. Bis zum Finale auf der Gamescom musste ATR alles selber organisieren, während der Spielbetrieb weiterlief – eine unschöne, aber aus ihrer Sicht nötige Doppelbelastung.

Trotz schwerem Start die Verbindung nie verloren

Ein guter Start in die Saison ist für jedes Team wünschenswert, doch die Jungs hatten ein schweres Programm vor sich. Als noch recht uneingespieltes Team konnte sich der Aufsteiger zwar am ersten Spieltag einen Sieg gegen Tribunal Esports schnappen, doch musste sich im Zuge dessen den Playoffanwärtern MM, AeQ, SPG und ATN in Folge stellen. Während gegen den Titelverteidiger MM nichts zu holen war, war die Partie am dritten Spieltag gegen AeQ umso wichtiger. Man hätte beweisen können, dass man bereits von Beginn an der Konkurrenz überlegen ist, doch trotz eines knappen und umkämpften Spiels reichte es für ATR nicht und der Halbfinalist aus dem Spring Split setzte sich durch.

Da ein Duell daher schon einmal gegen einen Anwärter für die Top 4 verloren ging, musste am vierten Spieltag gegen SPG unbedingt ein Erfolgserlebnis her. Im so wichtigen Spiel pickte das Team ungewöhnlicherweise eine Scaling-Komposition und wurde dafür belohnt.

Obwohl SPG lange vorne gelegen hatte, konnte Maxilol für ATR einen extrem wichtigen und entscheidenden Baron stehlen. Mit diesem Buff und einem inzwischen starken Kog'Maw sicherte sich das Team den wohl wichtigsten Comeback-Sieg in der gesamten Ligaphase. Nicht nur steigerte dieser Sieg die Moral noch einmal um ein ganzes Stück, zusätzlich verschaffte es ATR den direkten Vorteil gegenüber SPG und erhöhte die Chancen auf die Playoffs damit ungemein. In unserem Interview mit Xioh könnt ihr auch seine Sicht der Dinge noch einmal nachlesen.

Doch trotz des Sieges wurde das Team zur Mitte des Splits hin noch einmal richtig gefordert und überfordert. Im Spiel gegen ATN am 5. Spieltag konnte Attempting to Reconnect nicht an den Erfolg vom vorherigen Spieltag anknüpfen und verlor erneut etwas an Boden. Im bestmöglichen Szenario müsste man alle weiteren Gegner schlagen und hoffen, dass AeQ und vor allem SPG die direkten Duelle mit anderen Teams verlieren. Ein Plan, der aufging, denn AeQ verlor noch am selben Spieltag das Duell gegen SPG und verschaffte ATR damit den Vorteil, dass alle drei Teams sich untereinander besiegt hatten. Es kam nur noch darauf an, wer sein Restprogramm sauber runterspielen und einen weiteren Favoriten schlagen würde.
Lange dauerte es nicht, bis Attempting to Reconnect diese Chance ergriff und ein schwaches ESG am siebten Spieltag schlagen konnte. Ein extrem dominanter Swain-Pick für Liandrid machte den Sieg des Underdogs möglich und eröffnete ATR damit nicht nur die Tür zu den Offline-Events, sondern auch den Vorteil im direkten Vergleich mit EURONICS. Eine Geschichte, die man kaum besser hätte schreiben können, denn ATR spielte auch die zwei verbleibenden Matches der Liga sicher runter.

Damit war ein Playoff-Platz sicher und ebenfalls der dritte Tabellenplatz, denn man konnte sowohl ESG als auch SPG hinter sich lassen und damit im Halbfinale den Titelverteidiger MM umgehen. Nichtsdestotrotz musste sich das Team ALTERNATE aTTaX stellen, gegen das der Aufsteiger am fünften Spieltag ebenfalls eine Niederlage einstecken musste.

Das Wunder von Krefeld



Für drei Spieler seitens ATR war das Halbfinale in Krefelds TakeTV-Bar das erste Offline-Event und der Druck, vor Live-Publikum und nicht im gewohnten Umfeld zu spielen, hatte bereits zuvor einige Spieler in die Knie gezwungen. Sowohl Maxilol als auch Jesklaa mussten sogar in ein anderes Land reisen und trotz allen möglichen Komplikationen schrieb das Team an diesem Tag Geschichte.

Vor dem Spiel waren die Ausgangssituationen klar verteilt und ATN meldete sich gewohnt selbstbewusst über Twitter zu Wort – letztendlich alles für die Katz, denn der Favorit wurde seiner Rolle an diesem Tag nicht gerecht.

Im ersten Spiel des Abends zeigte sich, dass die jungen Spieler des Teams erst in den Rhythmus kommen mussten und etwas Anlauf brauchten. So war es am Ende ein einseitiges Spiel zugunsten des Favoriten und ein vermeintlich erster Schritt in Richtung Finale auf der Gamescom. Doch dann kam alles anders und ALTERNATE musste sich erneut im Halbfinale geschlagen geben.

In Spiel 2 und 3 brillierten beim Newcomer sowohl Zazee als auch Jesklaa im entscheidenden Moment. Während Zazee auf LeBlanc und Taliyah seinen Gegner bereits auf der Lane an die Wand spielen konnte, machte Jesklaa das Carry-Duo im Mid-Game perfekt. Sein Kog'Maw, gepaart mit der Janna von Xioh, war massiv daran beteiligt, dass ATR die Teamfights in den Spielen gewinnen konnte.

Während Zazee den frühen Vorteil ebenfalls ausgezeichnet in Türme und weitere Goldvorteile ummünzen konnte, trug das Team gemeinsam den Sieg über die Zielgrade. Mit diesem Sieg hatte das Team selber nicht so wirklich gerechnet und hatte seine Chancen trotz gehörigem Selbstvertrauen als Außenseiter realistisch eingeschätzt.

Doch Geschichten werden nicht vorhergesagt, sondern geschrieben, wie diese von Attempting to Reconnect. Ob die Überraschung des Splits jetzt auch den ganz großen Wurf schaffen und das Finale gegen Titelverteidiger Mysterious Monkeys auf der Gamescom gewinnen kann, sollte umstrittener sein denn je.

Vor einigen Wochen bewies das Team, was es mit der richtigen Vorbereitung an einer guten Tagesform leisten kann und daher ist das vermeintlich klare Ergebnis offen wie nie. Insbesondere da ATR eine Woche lang zu ESG ins Gaminghaus gezogen ist, um zu Bootcampen, sollte man erneut die Augen nach einer Überraschung offen halten.

Teamfoto aus dem Bootcamp mit Aushilfstrainer Broeki (v.l.n.r. Maxilol, Zazee, Jesklaa, Xioh, Liandrid, Mantik)

Bildquelle: ATRs Twitter / Stephanie Lieske (ESL)

Glaubt Ihr, Attempting to Reconnect hat eine Chance im Finale?

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