Rebell vor Gott: Zekas kometenhafter Aufstieg in den LoL-Olymp

Geposted von Funk1ll3r,
Unerwartete und rasante Aufstiege kommen sowohl im Sport als auch im E-Sport immer wieder vor. Die Reise von DRX' Geon-woo 'Zeka' Kin bei der World Championship 2022 ist aber eine absolut außergewöhnliche und bemerkenswerte Geschichte, die am Sonntag im großen Finale gegen T1 ein würdiges letztes Kapitel verspricht. "Ich bin noch nie bei den Worlds gewesen. Wenn ich es auf diese Bühne schaffe, dann will ich um jeden Preis gute Ergebnisse zeigen. [...] Ich bin einfach glücklich über den Gedanken, ins Ausland zu reisen. Außerhalb Koreas unterwegs zu sein und einem internationalen Publikum zu zeigen, wer ich als Spieler bin, klingt gut."

Diese Worte äußerte Zeka Anfang August in einem Interview mit Ashley Kang über die Perspektive, erstmals in seiner noch jungen Karriere im wichtigsten Wettbewerb in League of Legends antreten zu dürfen. DRX hatte gerade erst nach zwei Niederlagen in Folge Nongshim RedForce mit 2:1 geschlagen und im LCK Summer Split einen großen Schritt in Richtung Playoffs gemacht. Der Mid-Laner erhielt sowohl im ersten als auch im dritten Spiel der Serie den MVP-Award von den Castern vor Ort.

Nur drei Monate später wird Zeka rund 9.000 Kilometer von Seoul entfernt, nämlich im Chase Center in San Francisco mit einer Kapazität von bis zu 18.000 Plätzen, das wichtigste Match seines Lebens und die größtmögliche Partie für einen League-of-Legends-Profi bestreiten - das Finale der World Championship. Der Weg vom nicht unwichtigen Sieg über Nongshim RedForce ins bevorstehende Duell mit dem klaren Favoriten T1 ist ein extrem unwahrscheinlicher und gleichzeitig sehr inspirierender.



Nur Durchschnitt in der LCK



Das Jahr 2022 in der LCK war für Zeka und DRX wahrlich kein allzu positives. Der 19-Jährige war vor dem Spring Split einer von drei Neuzugängen. Die anderen beiden Verpflichtungen: Bot-Lane-Legende Hyuk-kyu 'Deft' Kim und Geon-hee 'BeryL' Cho, Worlds-Finalist von 2021 und World Champion von 2020. Das Trio sollte die Organisation nach einem katastrophalen Sommer, der mit einer Bilanz von 2:16 auf dem letzten Platz endete, aus der tiefsten Tiefe heben und wieder konkurrenzfähig machen.

In der regulären Saison des abgelaufenen Spring Splits war das neu zusammengestellte Quintett auf einem guten Weg, denn auf drei Pleiten zum Auftakt folgten in den anschließenden 13 Best-of-Three-Serien elf Siege. Somit gingen Zeka und Co. als vierter Seed in die LCK-Playoffs, erlebten aber sofort einen Dämpfer: Obwohl DRX zweimal von einem Rückstand zurückkam, war bereits in der ersten Runde nach einem 2:3 gegen die Kwangdong Freecs Schluss. Auch im Sommer endeten die Playoffs zum frühestmöglichen Zeitpunkt: Dieses Mal zeigte sich mit Liiv SANDBOX das Überraschungs-Team des Summer Splits stärker.

Das Jahr 2022 hätte für Zeka und seine Mitspieler mit etwas Pech an dieser Stelle bereits abgeschlossen sein können. DRX sammelte wie KT Rolster und die Kwangdong Freecs, die den späteren Worlds-Finalisten im Frühling noch in den Playoffs eliminiert hatten, insgesamt 30 Championship Points. Das Trio stritt sich um die letzten zwei Tickets für die koreanischen Regional Finals. Der große Verlierer waren die Freecs, die am Ende leer ausgingen, weil sie im Sommer weniger Punkte geholt hatten als die beiden Konkurrenten.

Diese kämpften im ersten Match der Regional Finals gegen das Aus und die Rollen waren aufgrund der sehr unterschiedlichen Auftritte in der LCK klar verteilt: KT Rolster, das nur zwei Wochen zuvor knapp mit 2:3 gegen DWG KIA verloren hatte, ging als deutlicher Favorit in das Match gegen DRX. Die schwierige Situation meisterte das Quintett um Zeka allerdings mit Bravour und kam von einem 1:2-Rückstand zurück. Im entscheidenden Duell um den letzten Worlds-Slot der Region sah es ähnlich aus. DRX lag gegen Liiv SANDBOX nach drei Spielen hinten und siegte trotzdem mit 3:2, angeführt von Zeka auf seinem berüchtigten Sylas (8/1/4).



Damit hatte sich die Organisation entgegen allen Erwartungen als größter Außenseiter der Regional Finals für die diesjährige World Championship qualifiziert, obwohl sie im LCK-Jahr 2022 auf eine Gesamtbilanz von 47:48 Spielen kommt - eigentlich undenkbar für ein Team, das am Sonntag um die begehrteste Trophäe in League of Legends kämpfen wird.

Und Zeka? Der Mid-Laner machte vereinzelt mit guten Leistungen, überwiegend auf den Champions Akali und Sylas, mit denen er bei der World Championship so einige Male brillierte, auf sich aufmerksam. Insgesamt gehörte er jedoch aufgrund vieler mäßiger Auftritte zum Mittelfeld der Region. Wenn in den vergangenen Jahren über Mid-Laner in Südkorea gesprochen wurde, dann fielen stets dieselben Namen: Su 'ShowMaker' Heo, Ji-hoon 'Chovy' Jeong, Bo-seong 'Bdd' Gwak und natürlich Sang-hyeok 'Faker' Lee. Für den 19-jährigen Zeka war in Diskussionen dieser Natur kein Platz. Noch nicht.

Auf den Spuren von Doinb und Scout: Erste Schritte in China



Dabei bestand zumindest eine theoretische Chance, dass der Südkoreaner 2022 gar nicht in seiner Heimat als Profi gespielt hätte, denn in der LCK war er noch ein gänzlich unbeschriebenes Blatt. 2019 gehörte Zeka für ein halbes Jahr zum Academy-Programm von KT Rolster. Nur wenige Wochen nach seinem 17. Geburtstag schloss er sich Ende 2019 mit Vici Gaming seinem ersten Profi-Team an und machte so seine ersten Schritte auf höchstem Niveau nicht in der LCK, sondern in der chinesischen LPL.

Dort lernte Zeka viele Grundkenntnisse, die ihm sicherlich auch heute eine große Hilfe sind. Schließlich sind offizielle Partien ohne Zweifel ein viel besserer Weg, um als Spieler zu wachsen. Damit folgte er dem Beispiel zweier südkoreanischer Mid-Laner, die im Prinzip ihre gesamte Karriere in China verbracht haben und in den vergangenen Jahren sogar zu World Champions geworden sind: Tae-sang 'Doinb' Kim und Yae-chan 'Scout' Lee.

Im Gegensatz zu diesen Weltstars hatte Zeka in der LPL aber keinen Erfolg. Mit Vici Gaming reichte es nur zu Platz neun und elf, sein erster Split mit Bilibili Gaming endete ebenfalls auf Rang elf. Im Sommer 2021 qualifizierte sich das Team für die Playoffs, scheiterte aber in Runde zwei mit 0:3 an Team WE. Es folgte die Rückkehr in die Heimat zu der Organisation, mit der Zeka innerhalb weniger Wochen die gesamte LoL-Welt schocken und begeistern sollte.

Die sechs Aufgaben des Zeka



Mit den Regional Finals hatten der Mid-Laner und sein Team Anfang September die erste eigentlich unmögliche Aufgabe bewältigt. In der Play-In-Phase der World Championship wurde ihnen zwar ein Weiterkommen zugetraut, allerdings nicht als Gruppensieger vor Mid-Season-Invitational-Gewinner Royal Never Give Up. Dennoch überraschten die Südkoreaner, setzten sich gegen den chinesischen Kontrahenten durch und leisteten sich anschließend keinen Schnitzer, was zu Platz eins und der direkten Qualifikation für die Gruppenphase führte. Im wichtigen Duell mit RNG gehörte Zeka mit seiner Akali (5/0/8) zu den Leistungsträgern, auf der anderen Seite blieb mit Yuan-Hao 'Xiaohu' Li ein Weltstar blass.

Der Start in sein erstes Worlds-Abenteuer war für den 19-Jährigen wenig überraschend auch eine emotionale Herausforderung, erklärte er in einem Interview mit InvenGlobal nach dem Halbfinale: "Am Anfang war ich sehr nervös, aber es hat sich wirklich gut angefühlt, zu hören, wie das Publikum mich angefeuert hat. Ich dachte mir: 'Deswegen bin ich ein Profispieler geworden.'"

Auch in der Gruppenphase lag die Favoritenrolle nicht bei DRX, schließlich macht ein Best-of-One-Erfolg gegen den vierten chinesischen Seed ein mäßiges LCK-Jahr nicht automatisch vergessen. Mit LEC-Champion Rogue um den gestandenen schwedischen Profi Emil 'Larssen' Larsson und Top Esports, das zu den größten Titelkandidaten zählte, warteten auf Zeka und seine Kollegen einmal mehr Gegner, die sich in den vorangegangenen Monaten viel besser präsentiert und nennenswerte Resultate gezeigt hatten.

Dabei steigerte sich DRX nach einer verdienten Auftaktpleite gegen die Europäer und spielte sich mit vier Siegen unerwartet in die Playoffs - vor allem auf Kosten des ursprünglichen Titelfavoriten Top Esports um Ding 'knight' Zhuo, der seit Jahren als Weltklasse-Mid-Laner gilt. Am Ende sprang sogar nach einem 25-minütigen Tiebreaker-Triumph gegen Rogue der erste Platz in der Gruppe C heraus. Bereits an dieser Stelle hätte wohl so ziemlich jeder Fan und Experte Zeka bescheinigt, dass er sein im August geäußertes Ziel, "gute Ergebnisse" zeigen zu wollen, erreicht hat. Der Mid-Laner hatte aber noch lange nicht genug.



"Das sind meine ersten Worlds, von daher hatte ich nichts zu verlieren", sagte er gegenüber InvenGlobal. "Das bedeutet, dass meine Gegner mehr Druck auf ihren Schultern hatten, sodass ich aggressiver spielen konnte." Die Aussagen des Südkoreaners könnten kaum besser zum Viertelfinale gegen EDward Gaming passen. Natürlich wurden dem Noch-World-Champion im Vorfeld die besseren Chancen zugesprochen.

Trotz eines 0:2-Rückstands hatte DRX als Underdog das letzte Wort und siegte mit 3:2. Dabei bewies das Quintett nach dem Inhibitor-Drama im zweiten Spiel eine unglaubliche mentale Stärke. Im entscheidenden fünften Game war es dann Zeka mit seiner Akali (10/2/4), der das Rampenlicht mit außergewöhnlichen vier Solokills gegen Scout und einem abschließenden Quadrakill für sich beanspruchte. Für seinen erfahrenen Landsmann war es wohl der schlimmste Auftritt seiner Karriere in einem derart bedeutenden Spiel.

Der unerwartete Einzug ins Worlds-Halbfinale sorgte für die fünfte schwierige Aufgabe, denn es wartete kein Geringerer als LCK-Champion Gen.G mit Chovy. Der 21-Jährige gilt seit mehreren Jahren als absolutes Ausnahmetalent auf dieser Position und besonders stark in der Laning-Phase. Und wieder waren die ursprünglichen Rollen ohne Bedeutung, weil sich DRX gegen das prophezeite Schicksal stellte und mit 3:1 triumphierte.

Zeka hielt dabei in allen Spielen während der Laning-Phase mindestens mit Chovy mit, teilweise stach er den Superstar sogar aus. Selbst der oftmals sehr kritische Content Creator Nick 'LS' de Cesare lobte den DRX-Profi nach dieser Performance in den höchsten Tönen und führte im Zuge dessen einen unterhaltsamen Vergleich an.



Wie Zeka nach dem Match verriet, nutzte er beim Stand von 2:1 gegen Gen.G den erwarteten Druck auf den Schultern des Favoriten, um aggressiver und mit mehr Selbstvertrauen zu spielen. Trotzdem blieb er im Gespräch mit InvenGlobal nach der Serie bescheiden, obwohl er abermals einen Mid-Lane-Star aus der World Championship befördert hatte: "Er hatte wahnsinnige CS-Zahlen und war sehr aggressiv, deswegen war es knifflig, gegen ihn zu spielen. Ich hatte aber gute Mitspieler, so konnte ich ihn schlagen."

Der Einzug ins große Worlds-Finale ist in vielerlei Hinsicht ein Rekord. Erstmals steht der vierte Seed einer Region und damit auch ein Team, das bereits in der Play-In-Phase gestartet ist, im wichtigsten Match des Jahres, das den Traum eines jeden Profis darstellt. Es könnte nicht passender und poetischer sein, dass mit Faker ausgerechnet die Gottheit von League of Legends am Schlusspunkt von Zekas Weg, der längst hätte enden sollen, wartet. Ob der Rebell, der eigentlich gar nicht hier sein sollte, auch die oberste Instanz zurückweisen und im Olymp ankommen kann oder sich die sechste als eine für ihn zu schwere Aufgabe herausstellt, wird sich in der Nacht auf Sonntag zeigen.



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Teaserbild: Fernando Decillis - Riot Games

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