Geposted von Funk1ll3r,
Das Finale einer World Championship in League of Legends ist für alle beteiligten Spieler stets ein ganz besonderes Erlebnis, das sie wohl nie vergessen werden. Dong-ha 'Khan' Kim von Titelverteidiger DWG KIA steht nun vor einem solchen Match: Es ist seine erste und letzte Chance auf den glorreichen Triumph und einen krönenden Abschluss seiner Karriere. Viertelfinale 2017, Halbfinale 2019, Finale 2021 mit der Möglichkeit, am Samstag gegen EDward Gaming die prestigeträchtigste Trophäe in League of Legends zu gewinnen: Die Laufbahn von Khan wirkt bei einem Blick auf seine Worlds-Historie wie eine gut gebaute Treppe, doch in Wirklichkeit ist die Bezeichnung "Achterbahnfahrt" viel passender.

Die Geschichte des 25-Jährigen ist geprägt von Höhen und Tiefen, die nur mit Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen überwunden werden konnten. Sein angekündigtes Karriereende nach dieser World Championship markiert den Schlusspunkt dieser bemerkenswerten Reise.

Erste Sternstunde in Südkorea



Es ist der 4. April 2014. Für das südkoreanische Team Prime Optimus geht es in seinem letzten Match in Gruppe A von OGN Champions Spring, dem höchsten LoL-Wettbewerb der Region, um nichts mehr.

Das Underdog-Roster ist nach 0:2-Niederlagen gegen die Weltklasse-Gegner KT Arrows mit Eui-jin 'Rookie' Song und Byung-kwon 'KaKAO' Lee sowie den amtierenden World Champion SK Telecom T1 K um Sang-hyeok 'Faker' Lee vorzeitig ausgeschieden.

Die abschließende Partie gegen SK Telecom T1 S, zu dem unter anderem Jun-sik 'Bang' Bae, Jae-wan 'Wolf' Lee und Gyeong-Hwan 'MaRin' Jang gehören, ist für Prime Optimus nur noch die Gelegenheit, sich positiv vom südkoreanischen Top-Wettbewerb zu verabschieden.

Im zweiten Game der Best-of-Two-Serie spielt der Top-Laner mit dem Nickname "Hanlabong" auf Jax, einem seiner Signatur-Champions, groß auf. Nach einem frühen Solokill gegen MaRin führt der 18-Jährige sein Team zu einem sensationellen 2:0-Triumph, der den Weg des Gegners zum Turnieraus nach einem Tiebreaker ebnet.



Während das Trio von SKT S eineinhalb Jahre später an der Seite von LoL-Ikone Faker die World Championship gewinnt, geht es für Hanlabong in eine völlig andere Richtung. Der junge Südkoreaner sucht im Sommer 2014 erstmals in China sein Heil: Er wechselt zu Team WE Academy - und benennt sich in "Khan" um.

Jahre der Irrelevanz in China



Hartnäckigkeit, Ausdauer und Siegeswillen waren von Khan bereits damals gefordert, denn in der ersten Hälfte seiner achtjährigen Karriere spielten Titel keine Rolle. Sein erster Split in der LPL endete auf dem letzten Platz.

Zwar gelang im Promotion-Turnier der Klassenerhalt, da Organisationen aber nicht mehr mit zwei Teams in der höchsten chinesischen Spielklasse antreten durften, wurde der Slot an die neue Organisation Masters 3 verkauft. Diese wiederum nahm lieber Geld in die Hand und vertraute auf den damaligen World Champion Hyeong-seok 'Looper' Jang.

Looper war nur einer von vielen Südkoreanern, die Ende 2014 nach China wechselten. (Quelle: Riot Games)


2015 verbrachte Khan somit in der LSPL, der zweiten Liga in China. Mit Newbee verpasste er im August den Aufstieg, den Spring Split 2016 schlossen der Südkoreaner und sein Team im Mittelfeld des Wettbewerbs ab. Im anschließenden Sommer schaute er lediglich noch von der Ersatzbank zu.

Nach zwei erfolglosen Jahren in China kehrte Khan kurz in seine Heimat zurück, um als Außenseiter mit dem Team Seoul am KeSPA Cup teilzunehmen. Individuell beeindruckte der Top-Laner mit Fiora und Kennen, die erwartete 0:2-Niederlage gegen das damalige LCK-Team Kongdoo Monster konnte er aber nicht verhindern.

Ende 2016 schloss sich Khan dem LPL-Team QG Reapers an, die Hoffnung auf eine echte Chance erfüllte sich allerdings nicht. Der Südkoreaner kam im Spring Split 2017 auf keinen einzigen Einsatz. Spätestens an diesem Punkt hätte ihn niemand dafür kritisieren können, wenn er die Maus an den Nagel gehängt hätte. Stattdessen öffnete sich aber eine Tür, die alles verändern sollte.

Durchbruch aus dem Nichts



Obwohl sein letzter offizieller Auftritt ein halbes Jahr zurücklag, sprach Longzhu Gaming dem damals 21-Jährigen ohne nennenswerte Errungenschaften das Vertrauen aus. Das LCK-Team holte Khan nach Südkorea zurück und dieses Risiko zahlte sich aus, wie es wohl niemand hätte vorhersagen können.

Der Top-Laner drückte dem Summer Split seinen Stempel auf und dominierte die Konkurrenz mit teilweise unglaublichen Auftritten. Erst viele Jahre nach seinem Debüt auf diesem Niveau bekamen Fans den echten Khan - innerhalb und außerhalb des Spiels - zu sehen.

Nach einem 2:0 über bbq Olivers in der sechsten Woche kletterte Longzhu auf Platz drei in der Tabelle und hatte damit bereits mehr Best-of-Threes gewonnen als im gesamten Spring Split. Khan wurde dabei für seine starke Leistung auf Jayce im zweiten Spiel erstmals mit einem MVP-Award ausgezeichnet.

"Vor jedem Match überlege ich mir normalerweise, was ich sage, falls ich den Award gewinne. Heute wollte ich ihn meinen Mitspielern überlassen, aber ich schätze, dass ich einfach zu gut bin, um ihn nicht zu bekommen", erklärte der häufig energiegeladene Südkoreaner anschließend mit einem breiten Grinsen.

Khan zeigte sich in Interviews häufig gut gelaunt und für Späße zu haben. (Quelle: OGN)


Angesprochen auf seinen Jayce schickte er eine Empfehlung in Richtung Konkurrenz: "Passt gut auf, ihr müsst meinen Jayce bannen." Diese gesunde Portion Arroganz und Selbstvertrauen machte Khan zu einem exzellenten Entertainer, der im Sommer 2017 mit Longzhu Gaming nach einem ersten Platz in der regulären Saison direkt ins LCK-Finale einzog.

Während bereits die Art und Weise, wie er mit seinen außergewöhnlichen Mechanics stellenweise Kontrahenten in der Lane deklassierte und seine Vorteile in eigene Siege ummünzte, äußerst eindrucksvoll war, hob ein weiterer Fakt seine Leistungen auf ein neues Level.

Tank-Champions beherrschten die Top-Lane und die meisten Teams legten dank des starken Support-Items Ardent Censer den Fokus auf die Bot-Lane. Khan aber packte immer wieder Carry-Picks mit großem Schadenspotenzial aus und brachte sie zum Funktionieren. Er verlangte die Aufmerksamkeit seines Teams und zahlte dieses Vertrauen zurück.



"Wenn reine Tanks auf der Top-Lane gegeneinander kämpfen, ist es sehr langweilig anzuschauen. Es gibt keine Möglichkeit für Solokills", verriet er während der World Championship 2017 in einem Interview mit CLICKON eSports.

Obwohl die Aussage den Spieler Khan treffend beschrieb, machte er keinen Hehl daraus, dass das Spiel für ihn keine One-Man-Show war. Bereits zuvor hatte er erklärt, dass sein Erfolg vor allem der flexiblen Bot-Lane Jong-in 'PraY' Kim und Beom-hyeon 'GorillA' Kang zu verdanken war.

Im LCK-Endspiel glänzte Khan gegen SK Telecom T1 mit seinen Signatur-Champions Jayce und Jax. Der überzeugende 3:1-Triumph gegen den Titelverteidiger und bereits damals dreimaligen World Champion markierte endgültig die Wende in der bis dahin besonders steinigen Laufbahn des südkoreanischen Profis.

Titelsammler in Korea, "Choker" auf der Weltbühne



Mit seinem ersten Beweis in der Tasche, dass sich Jahre harter Arbeit und Durchhaltevermögens bezahlt gemacht hatten, ging Khan im Jahr 2017 als Favorit in seine erste World Championship. Viele Experten der Szene bezeichneten ihn als besten Top-Laner der Welt und einen der weltbesten Spieler überhaupt.

Statt des größtmöglichen Triumphs folgte aber eine massive Enttäuschung: Longzhu Gaming schloss die Gruppenphase als einziges Team ohne Niederlage ab und scheiterte dann im Viertelfinale extrem überraschend nach einem 0:3 gegen den späteren World Champion Samsung Galaxy. Erstmals seit Khans rasantem Aufstieg im Sommer hatte Jax ihm keinen Erfolg gebracht.

Khan war mit Longzhu 2017 bei der World Championship der Favorit. (Quelle: Riot Games)


Sein erstes internationales Turnier war nur der Anfang einer zweigleisigen Entwicklung, die den Profi auch heute noch bis zu seinem voraussichtlich letzten Match am Samstag verfolgt hat. Seitdem gewann er fünf weitere LCK-Titel, jeweils zwei mit SKT und seinem aktuellen Team DWG KIA, auf internationaler Bühne ist er vielen Fans aber nur als "Choker" bekannt.

2018 unterlag Khan im Finale des Mid-Season Invitationals, 2019 war sogar eine Runde früher im Halbfinale Schluss. Wenige Monate später wurde er erneut von einem furiosen G2 Esports vor den Augen der gesamten League-of-Legends-Welt eliminiert, dieses Mal im Halbfinale der World Championship.

Hätte dies an seinem Selbstvertrauen genagt, wäre es keine Überraschung gewesen. Schließlich gehörte Khan zur ersten Gruppe von Fakers Mitspielern, mit denen der Superstar nach einer erfolgreichen Teilnahme am Turnier den Einzug ins Worlds-Finale verpasst hat.

Khan und SK Telecom T1 scheiterten 2019 zweimal an G2 Esports. (Quelle: Riot Games - Colin Young-Wolff)


Für zusätzliche Zweifel an den eigenen Fähigkeiten eignete sich das Jahr 2020 besonders gut. Der Top-Laner versuchte es ein weiteres Mal in China und schloss sich dem damaligen World Champion FunPlus Phoenix an. Dort teilte er sich mit Han-saem 'GimGoon' Kim den Platz im Team.

Im Frühling, der mit Platz drei in den LPL-Playoffs endete, kam Khan auf weniger Einsätze als sein Landsmann. Nach der siebten regulären Woche im Summer Split musste er ausschließlich von außen zusehen. FPX schied in der ersten Runde der Playoffs aus und das Jahr 2020 war spielerisch auf einen Schlag beendet.

Aus Sicht von Khan war dieser Teil besonders bitter. FunPlus Phoenix stürzte vom LPL-Thron und dem darauffolgenden Gewinn der World Championship ins Mittelfeld der chinesischen Region ab - und auf dem Papier war die einzige Veränderung der Beitritt des Südkoreaners gewesen. Wie er vor Kurzem Inven Global verriet, hatte er 2020 durchaus über ein Karriereende nachgedacht.

Ein letzter Versuch mit DWG KIA



Aber weil der (E-)Sport seine eigenen besonderen Geschichten schreibt, hielt die vergangene Off-Season eine ironische Parallele bereit: Khan kehrte in seine Heimat Südkorea zurück und unterschrieb bei DWG KIA. Zum zweiten Mal in Folge wurde er Teil eines Teams, das wenige Wochen zuvor die World Championship gewonnen hatte. Zum zweiten Mal war er der einzige Neuzugang.

Obwohl der LCK Spring Split überzeugend gewonnen wurde, war von Khans explosivem Style nicht mehr viel zu erkennen. Sion war sein mit Abstand meistgespielter Champion, von Signatur-Picks wie Jayce und Jax fehlte jegliche Spur. Die internationale Misere von Khan setzte sich mit dem verlorenen Finale beim diesjährigen Mid-Season Invitational fort.



Inzwischen hatte der Profi mehrfach über sein geplantes Karriereende zum kommenden Jahr gesprochen, da er seinen Militärdienst in Südkorea ableisten muss. Die World Championship im Herbst würde seine allerletzte Chance werden, dem eigenen Lebenslauf auch einen Titel auf der Weltbühne hinzuzufügen.

Eine Krise im Summer Split warf kurzzeitig die Frage auf, ob dies auch nur ansatzweise realistisch war. DWG KIA steigerte sich aber, gewann zum dritten Mal hintereinander die LCK und bescherte Khan noch einmal die Möglichkeit, nach dem begehrten Erfolg zu greifen.

Der Top-Laner betonte gegenüber Inven Global, dass das Turnier auf Island keine größere Bedeutung hat, nur weil es das letzte in seiner Karriere ist. "Ich kann nicht sagen, ob ich bei den Worlds gut oder schlecht abschneiden werde. Ich werde aber mein Versprechen halten, mein Bestes zu geben", sagte Khan Mitte September.

Mit bemerkenswerten Auftritten in der Gruppenphase, unter anderem auf Jax und Jayce, ließ er seinen Worten auch Taten folgen. Zwei Best-of-Five-Erfolge später steht der Südkoreaner von DWG KIA nun vor seiner allerletzten Aufgabe als Profi.



Trotz seiner langjährigen Karriere ruft diese zahlreiche Emotionen bei ihm hervor: "Ehrlich gesagt bin ich sehr gestresst und nervös, jede Nacht habe ich Schwierigkeiten, schlafen zu gehen", verriet er in der Pressekonferenz nach dem Halbfinale gegen T1. Ein weiterer Sieg fehlt, um das große Ziel zu erreichen.

Khan wird weder als bester noch als erfolgreichster Spieler in die League-of-Legends-Geschichte eingehen. Der 25-Jährige hat am Samstag allerdings die Gelegenheit, sich als einer der wenigen Worlds-Gewinner zu verewigen und seine von zahlreichen internationalen Rückschlägen geprägte Karriere doch noch zu krönen - im Spiel seines Lebens.

Das große Finale der World Championship zwischen DWG KIA und EDward Gaming könnt Ihr am 6. November um 13:00 Uhr live bei Summoner's Inn verfolgen:





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Teaserbild: Riot Games

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